|
|
|
|
Lea
Wie vom Teufel geritten legte Lea los,
als man ihr den Starttropfen auf die Fühler träufelte. Sie
hatte den Tag sehnsüchtiger herbeigesehnt als Schalke die
Meisterschale, als erste Schnirkelschnecke der Welt den halben Meter in
15 Minuten zurückzulegen. Jahrelang war sie testgekrochen und
hatte sich von anfänglich sieben Stunden auf 18 Minuten
gesteigert, ohne EPO, nur mit eiserner Disziplin. Außerdem war
sie extrem scharf auf den Hauptpreis, ein nagelneues Schneckenhaus aus
feinstem Kalk. Vielleicht auch auf die vielen Nacktschnecken, die nach
dem Sieg um ihre Gunst buhlen würden wie ein Haufen ausgemergelter
Koyoten um einen Fetzen Plockwurst. Man weiß es nicht.
Schon auf den ersten zwei Zentimetern zog sie ihren Konkurrentinnen
davon. Lediglich Rita, Landlungenschnecke und Weltmeisterin im
Schnecken-Triathlon (kriechen, schleimen, fühlen), konnte mit
ihrem Tempo mithalten.
Mit Kraft und Anmut schlabberte sich Lea über den Asphalt und
baute ihre Führung beharrlich aus. Als nach zehn Zentimetern zwei
hoch gehandelte Weinbergschnecken aufgeben mussten, weil sie beim
Versuch, von Leas Windschatten zu profitieren, auf deren Schleimspur
ausgerutscht waren, klopfte Leas Herz wie wahnsinnig. So wie damals,
als sie Urlaub auf dem Blatt von nebenan gemacht hatte und sich dort in
die rassige spanische Wegschnecke verliebt hatte. Die Geschichte endete
in einer Katastrophe, aber das Herzklopfen war in etwa dasselbe.
Auf halber Strecke wurde die Zwischenzeit eingeblendet: 7:23 Minuten,
und der Vorsprung auf Rita betrug schon drei Zentimeter. Leas
Fühler zitterten vor Freude. Alles lief nach Plan. Ein Regenwurm
am Rand feuerte sie mit aufgestellten Borsten an. Ein Fan, dachte Lea
gerührt, doch sogleich richtete sie ihren Blick wieder starr
geradeaus, die Ziellinie im Visier, die ihr aus der Ferne
verheißungsvoll entgegenschimmerte.
In stumpfer Monotonie absolvierte Lea die langgezogene und von allen
gefürchtete Schikane. Sie gestattete sich einen kurzen Seitenblick
und sah, dass Rita mit einem akuten Hungerast kämpfte und vor
Rammdösigkeit schon peinlich schielte.
Bei Zentimeter 40 bog Lea auf die Zielgerade ein. Sie lag mittlerweile
bei 11:58 Minuten. Sie schrubbte, was das Zeug hielt, und obwohl sie
mittlerweile hartnäckiger keuchte als ein Basset nach einmal
Bordsteinkante hochklettern, witterte sie immer mehr den Duft des
Triumphs. Sogar das Schicksal gesellte sich nun willfährig an ihre
Seite, als sich vor lauter Euphorie kurzzeitig ihr Schließmuskel
öffnete und ihr ein Furz entglitt, der sie mit dem Druck eines
seit Jahrhunderten eingesperrten Flaschengeistes um drei Zentimeter
nach vorne katapultierte. So hatte sie einen Zentimeter vor dem Ziel
noch 27 Sekunden Zeit, was einen Puffer von sage und schreibe neun
Sekunden bedeutete.
Wie in Trance nahm sie den letzten Zentimeter in Angriff, doch dann
spürte sie plötzlich ein unangenehmes Kratzen am Hals. Sie
wölbte sich kurz auf und erblickte ein kleines Steinchen, das sich
unauffällig unter ihren Körper geschoben hatte. Panisch kroch
Lea weiter und unterdrückte die Schmerzen so gut es ging, bis das
Steinchen unvermittelt ihre Geschlechtsöffnung erreichte und
hemmungslos in sie eindrang. Lea zuckte erregt zusammen. Von
unbändiger Lust übermannt schaukelte sie auf dem Steinchen
hin und her, während die Zeit erbarmungslos davonraste.
Verschwommen nahm sie die Ziellinie wahr, die jubelnde Menge, doch Lea
wippte weiter ekstatisch auf und ab. Wie lange schon hatte sie keine
Liebe mehr gespürt? Sie konnte sich nicht erinnern. Irgendwann
hatte sie sich zurückgezogen und beschlossen, auf Liebe zu
verzichten und nur noch Schneckenrennen zu machen, weil da ihrer
Ansicht nach die Verletzungsgefahr nicht so groß ist.
Zwei Millimeter vor dem Ziel ertönte die 15-Minuten-Sirene,
während Lea nach dem Höhepunkt ihres Lebens glückselig
in sich zusammensackte.
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
Der Tod kam mit der Post
Unaufhörlich prasselte der Schnee
von innen gegen die Fensterscheibe. Kalle Blanchard hatte sich eine
Schneemaschine gekauft, weil ihn das ablenkte. Jetzt kriegte er das
Scheißteil nicht mehr aus. Seine ganze Wohnung war schon
zugeschneit. Er musste den Schlitten nehmen, wenn er aufs Klo wollte.
Überhaupt war alles komisch in letzter Zeit. Die Leute fragten
sich, ob es ihn noch gebe, er sei lange nicht mehr Fälle
lösen gegangen. „Stimmt ja auch!“ schnauzte er sich
selbst an und fühlte sich danach wesentlich leichter. Er
öffnete die Tür, um draußen ein paar Schritte zu tun.
Präsenz zeigen hielt er für das beste Mittel gegen das
Vergessen. Blanchard, der alte Fuchs. Er dachte sogar daran, seinen
Hosenlatz zuzumachen, bevor er in die Stadt einbog. „Außer
Fälle lösen kann ich eigentlich nix“, dachte er dabei
und rümpfte die Nase. Aufmerksam beobachtete er das Treiben um
sich herum. Er sah Menschen mit Einkaufstüten, die durcheinander
rannten.
Die meisten begrüßte er nicht. Doch da, das kleine
Mädchen mit der Puppe im Arm. „Na, du wirst auch immer
hässlicher, was? Hier, ein Bonbon“. Er wühlte in seiner
Manteltasche und brachte ein fusseliges Eukalyptusbonbon zum Vorschein,
das er ohne Papier dort aufbewahrt hatte, denn das Papier brauchte er
damals, um verdächtige Hausnummern zu notieren. Das allein brachte
ihm eine Auszeichnung von ranghöchster Stelle ein. Das kleine
Mädchen schnappte nach dem Bonbon, doch Kalle schmiss es zu Boden
und machte auf dem Absatz kehrt. Er brauchte das Abenteuer.
Plötzlich war Mittwoch. Langsamen Schrittes nebulierte er durch
die Gassen. Den Blick angestrengt nach hinten gerichtet, die
Füße parallel. Z, der ihm seit geraumer Zeit folgte, hatte
sich eine Gasmaske aufgesetzt, weil Kalle heute mehr als sonst furzte.
Trotzdem blieb er ihm treu, vielleicht auch, weil er das insgeheim an
ihm mochte. „Irgendwann will ich mal nach Island“, sagte
Kalle zu Z und sah ihn dabei an, als hätte ihn das nicht im
Geringsten zu interessieren. Er summte Zukunftsmusik. Doch dann vernahm
er ein deutliches Rascheln unter seiner Schuhsohle. Er bückte sich
und hob einen Briefumschlag auf. Als wüsste er genau, was vor sich
geht, öffnete er ihn. „Nä, guck mal, Z, hier ist ein
toter Mann im Umschlag, den hat die Gesellschaft wohl
abgestempelt“, schob er sich aus dem Mund und lachte intensiv
über seinen vorzüglichen Humor. Z kam sofort angewedelt und
erstarrte beim ersten Anblick des Verbrechens. Zusammengefaltet steckte
der Tote im Kuvert. Kalle machte sich auf die Suche nach dem Absender,
um den Fall schnell zu lösen, doch er konnte keinen finden.
„Mist“, parierte er die Situation und ging nach Hause. Dort
ließ er sich in den Reflexsessel fallen und steckte sich eine
Zigarette an. Den Sessel hatte er neu erfunden, um sich die Arbeit zu
erleichtern und auch mal Home-office machen zu können. Dann lud er
potentielle Verbrecher unter Vorwänden zu sich ein und ließ
sie im Reflexsessel Platz nehmen. In dem Sessel ist eine Datenbank, die
sofort überprüft, wer da sitzt. Ist es ein Verbrecher,
schlägt der Sessel zu und verhaftet ihn. Kalle hat so schon viele
Fälle abgekürzt. Manchmal war er selber gar nicht vor Ort,
sondern irgendwo Kaffee trinken und hat den Sessel die Sache alleine
erledigen lassen. Er musste dann nur noch der untätigen Polizei
die Formalitäten morsen. Für Home-office-Fälle bekommt
Kalle immer 1000 Mark auf die Hand und ist deshalb fünftreichster
Bürger. Von dem Geld plant er demnächst eine
Reflexsessellandschaft aufzumachen und alle Verbrecher der Welt auf
einmal zu überführen. Vielleicht versäuft er die Kohle
auch, er weiß es noch nicht genau. Aber jetzt saß ja gar
kein Verbrecher im Reflexsessel, sondern Kalle Blanchard. Die Datenbank
bestätigte es: Blanchard, Kalle, bester Detektiv der Welt. Sodann
startete der Sessel das Massageprogramm. Kalle wurde wohl um den
Schritt, er grunzte kurz auf und nickte dann ein. Mit einer Idee wachte
er keine fünf Minuten später wieder auf. „Der
Mörder will ein Spiel mit mir spielen, aber warum?“ entglitt
es ihm. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er rannte aus dem
Haus zur nächsten Post. Schalter 3 war besetzt.
Dort stellte er sich unauffällig in die Schlange und beobachtete
die junge Angestellte, die nun nervös wurde. Erst jetzt merkte
Kalle, dass der ganze Tag einen Sinn ergab, er hatte nämlich dem
kleinen Mädchen mit dem Bonbon heimlich die Puppe geklaut, und die
war jetzt sein wichtigstes Werkzeug. Als er an der Reihe war, wurde die
Schlampe richtig hektisch und wollte Feierabend machen, doch Kalle zog
sie mit seinem Röntgenblick so stark in den Bann, dass sie ihn
natürlich auch noch bediente. Kalle zog die Puppe hervor.
„Ich will diese Puppe hier im Umschlag verschicken, helfen sie
mir falten!“ befahl er. Die Sau begann zu schwitzen. Mit zwei
Handgriffen stopfte sie die Puppe in den Briefumschlag. „Alter
Falter“, schnorchelte Kalle, denn nur er weiß, wie nah
knallhartes Auftreten und Witzchen machen beieinander liegen. Sie
glotzte ihn an, als hätte er einen Autoreifen um den Hals, was er
manchmal tatsächlich hat, wenn er mit dem Universum in Verbindung
tritt. Um ihr auf die Sprünge zu helfen, holte er den toten Mann
aus seiner Aktentasche und knallte ihn auf den Tisch. „Sehen sie
das?“ fuhr er sie an. „Ja“, antwortete sie.
„Und damit haben sie wirklich nichts zu tun?“ drängte
er sie in die Ecke. „Nee“. „Dann geben sie sofort die
Puppe wieder her“, schrie Kalle zurück. Er riss sie ihr aus
dem Arm und wünschte ihr einen beschissenen Feierabend. Er ging in
einen anderen Stadtteil, von dem er sich mehr versprach. In weiter
Ferne erkannte er Z, der einem Briefträger hinterher rannte. Kalle
fuhr seinen Arm aus, der länger ist als der Arm des normalen
Gesetzes, und brachte ihn zum Erliegen. Unheilvoll beugte er sich
über ihn und zuckte erschrocken zusammen. Es war der Mann mit den
roten Zähnen, der schon so jedes Verbrechen dieser Welt begangen
hat und Kalles Zugriff damals nur deshalb entgehen konnte, weil er sich
im Moment der Verhaftung als Kalle Blanchard verkleidete, ihn in ein
interessantes Selbstgespräch verwickelte und floh. Doch heute war
Endstation. Heute drehte Kalle den Spieß um. Etwas
überheblich setzte er sich das rote Gebiss in die Fresse und
grinste diabolisch.
„Tatütata“, herrschte er ihn an, „hast du den
toten Mann in den Umschlag gefaltet?“ Der Mann mit den roten
Zähnen nickte. „Warum?“ fragte Kalle. Doch noch bevor
er antworten konnte, steckte er ihn in die Zelle. Für den
Rückweg wählte Kalle die Straße, in der die meisten
seiner zahlreichen Fans wohnten. Laut stampfend machte er auf sich
aufmerksam, doch das brauchte er gar nicht. Überall waren Lampions
aufgehängt, auf denen sein Name stand. Lametta säumte den
Bürgersteig. Tausende Menschen knieten vor ihren Häusern und
streckten ihm Wurstplatten entgegen. „So mag ich es“,
erklärte er sich selbst, aß und ging weiter.
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
Lurch
Ein Lurch ergießt sich auf Asphalt,
er kam aus weiter Ferne,
sein Schoß ist warm, die Welt ist kalt,
er mag sich selber gerne.
Verlegen kratzt er sich im Schritt,
um ihn herum herrscht Stille,
jetzt geht die Welt, und er geht mit,
es war sein freier Wille.
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
En garde, Arschloch!
Kalle konnte sich nicht zwischen den
Frauen entscheiden. Soll er die nehmen, die ihm zu Füßen
liegt oder doch die, die sich ihm in den Weg stellte? Jetzt war Taktik
geboten. Er riss ein Stück Teppich vom Fußboden und
schnäuzte sich. „Oh ja“, befahl er seinen Gedanken und
vergaß den Grund seines Daseins. Überrascht blickte er um
sich. An der Wand hing ein tibetanischer Degen, eine Uniform von
Napoleon in original und zig Handschellen. „Wer bin ich
denn?“ frug er. Ganz vorsichtig öffnete er die Tür und
schaute sich argwöhnisch um. An der Litfasssäule lehnte ein
Pfund Mett und zwinkerte ihm zu. Kalle ließ sich ein Autogramm
geben. Es war verkehrt. Wenn hier jemand Autogramme verteilt, dann ist
er das selber.
Kalle war offensichtlich das Opfer einer Vertauschung geworden. Wie
schrecklich das ist, kann man nur erahnen. Er ging zur nächsten
Bank, räumte sein Konto und setzte sich in den Nachtzug nach
Marseille. Von dort flog er nach Dayton, Ohio. Der Bürgermeister
begrüßte ihn freundlich: „Schön, dass wir uns mal
daten“, ließ Kalle ihn abblitzen. Aha, Witze funktionierten
also. Das war ein erster Anhaltspunkt dafür, dass er
möglicherweise Kalle Blanchard ist, doch er war sich noch nicht
ganz sicher. In der untergehenden Abendsonne schlenderte er am Ufer des
Flusses entlang und dachte nach. „Die Welt ist mein
Zuhause“, sinnierte er und beobachtete eine Amsel, die sich ihm
im Gleitflug näherte. In ihrem Schnabel hielt sie eine wichtige
Information fest. Kalle ignorierte es. Ihm war mulmig zumute.
Spaziergänger starrten ihn an, manche zeigten mit dem Finger auf
ihn. Eine Brünette schenkte ihm Kaffee ein. „Danke“,
entglitt es ihm. Das war jetzt wieder eher ein Indiz dafür, dass
er vertauscht wurde, denn Kalle sagt eigentlich nie Danke. Verwirrung
pur. Am nächsten Tag sattelte Kalle sich selber und ritt hinaus in
die Natur. Der Morgentau bedeckte noch das jungfräuliche Gras, die
Baumwipfel wogen salbungsvoll im Wind, der von Westen kam. An einer
Lichtung machte er Halt. Vor seinen Füßen plätscherte
ein Gebirgsbach unschuldig daher. Er beugte sich über das Wasser
und sah sich prüfend an. „Oh, peinlich, ich bin ja Kalle
Blanchard“, sagte er eine Sekunde später.
Da kam auch schon die Amsel wieder vorbei. Dieses Mal zögerte
Kalle nicht und nahm die Information aus ihrem Schnabel: Du bist hier
um Fälle zu lösen. Kalle jubelte. Die Vertauschung war
besiegt. Schnell kaufte er sich im nächsten Karnevalsladen ein
Turbinenkostüm, rannte zum Flughafen und schaffte es noch so
gerade, sich an der Tragfläche vom Flugzeug festzuhalten. In
Rotterdam, dem Sitz seiner Detektei, machte er sich sogleich an die
Arbeit. Die Detektivzeitung hatte mehrere Fälle im Angebot,
Mörder, Diebe, Gauner, Betrüger. „Alles zu
öde“, winkte Kalle ab. Doch da, ein Fall schien ihn zu
interessieren. Da war von Belohnung die Rede, eine Million Dollar, wenn
der Fall bis Dienstag gelöst ist. Heute war Dienstag. „Das
schaff ich noch“, schrie Kalle und fiel mit der Tür ins
Haus. Dort setzte er sich auf den Rekapitulationssessel (der neben dem
Reflexsessel) und spielte den Fall durch, so wie er sich bislang
zugetragen hatte. „Weiblicher Typ, circa 1,90, vermutlich
amerikanischer Staatsbürger, benutzt Pfeil und Bogen, ich werde
ihn ausschalten“, resümierte er. Eine heiße
Fährte führte ihn zum griechischen Obsthändler an der
Ecke. Er kaufte einen saftigen Apfel und befestigte ihn auf seinem
Kopf. Auf die Idee muss man erstmal kommen. Doch für Kalle war das
normal, er hatte immer die richtige Idee zur richtigen Zeit. Deshalb
löst er ja auch jeden Fall, den die Polizei nicht aufklären
kann, weil sie nicht bis drei zählt. Mit dem Apfel auf dem Kopf
begab Kalle sich in die Lichter der Großstadt. Dort probierte er
seine neueste Erfindung aus, das Schattenantigehorchprogramm. Ein
Mikroprozessor mit 1000 Watt Leistung, der sich in der Wirbelsäule
befindet und die Schattenbildung manipuliert. Beugt Kalle sich nach
links, beugt sich der Schatten nach rechts. Springt er hoch, rollt sich
der Schatten ab. Ein perfektes Mittel, um seine Spuren zu verwischen,
wenn er jemand auflauert.
Er kann den Mikroprozessor sogar so einstellen, dass sein Schatten
aussieht wie ein Panzer, der einen gleich überrollt, falls mal
Krieg ist (bitte achten Sie an dieser Stelle auch auf Kalles
nächsten Fall: Im Krieg ist alles bilateral). Jetzt schaltete
Kalle den Prozessor so ein, dass sein Schatten auf dem Kopf steht.
Schelmisch schlich er durch die Einkaufspassagen und hielt Ausschau
nach dem vermutlich amerikanischen Staatsbürger mit Pfeil und
Bogen, der im Kriminallexikon Joe the Bow genannt wird. Kalle schlich
so langsam, dass er fast einschlief. Aber Z hielt Wache und stupste ihn
immer wieder an. Er ist so hässlich und doch so treu. Kalle
tätschelte ihn, er war ihm ans Herz gewachsen, obwohl er ihn
anwiderte. Nach drei Stunden war er Joe the Bow noch kein einziges Mal
begegnet, dafür spielten sich andere Szenen ab. Kalle schaute auf
die Uhr. „Ich muss den Fall bald lösen, sonst kann ich das
mit der Belohnung abhaken“, grunzte er ungeduldig. Er blickte
hinauf auf das Dach eines Kaufhauses und hörte auffällige
Klettergeräusche. „Ha, da ist er!“ trällerte er
gutgelaunt. „Oh, doch nicht“, schob er gleich hinterher,
denn es war nur eine Katze, die spielte. Kalle wurde nun fast
wahnsinnig. Er verließ die Gegend und steuerte die
Hauptstraße an, eine Pappelallee wie aus dem Bilderbuch. Hinter
einer Tageszeitung verschanzte er sich. Leider funktionierte das mit
dem Schatten nicht so gut, denn da verschanzte sich die Zeitung auf
einmal hinter Kalle. Egal, es war auf jeden Fall clever, denn
urplötzlich huschte Joe the Bow hinter einem Lastwagen hervor und
legte an. Kalle raschelte mit der Zeitung. Vor Schreck rutschte Joe the
Bow der Pfeil ab und durchsiebte einen dahergelaufenen Kojoten, der
gerade einer Oma die Handtasche klauen wollte.
Etwas von oben herab musterte Kalle den sterbenden Kojoten und wandte
sich dann Joe the Bow zu. „Du hast den Bogen
überspannt“, las er ihm trocken vor und grinste ihn
überlegen an. „Weiß ich doch alles“, entgegnete
Joe the Bow und ließ sich abführen. „Aber eine Sache
muss ich dir noch sagen, bevor ich hänge: Ich habe noch nie in
meinem Leben einen derart lustigen und zugleich knallharten Detektiv
getroffen wie dich, Hut ab!“ Da ließ Kalle ihn wieder frei.
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
Heine oder keine
Spazierte einst durch Düsseldorf,
traf dort auf H Punkt Heine,
er klagte über Rüsselschorf,
ich über müde Beine.
Gestrandet wie enfants perdus,
aufsässig wie die Weber,
versoffen wir wohl zig Grands Crus,
es zuckte in der Leber.
Verzückt erblickten wir alsdann,
auf einer Rheingaleere,
des Kaisers treuesten Untertan,
die alte Zensorschere.
Gleich hintendran im Sklavenboot,
ein Reisebild vom Feinsten,
der Deutsche Michel, puterrot,
er hatte von allen den Kleinsten.
Noch ein Mal wurde er Harry gewahr,
es züngelten Zornesflammen,
er wollte ihn mit Haut und Haar
in Dantes Höll’ verdammen.
Doch ach, er machte sich lächerlich
und zeterte wie von Sinnen,
so ganz kamaschenritterlich,
die Pickelhauben, die spinnen.
Da plötzlich, Rascheln im Gebüsch!
Hervor kroch J.W. Goethe,
im Mäntelchen aus Samt und Plüsch,
sein Haupt voll Schamesröte.
„Verzeih’ mir, Harry, dass ich dich
so unterkühlt empfangen,
war zögerlich, recht bürgerlich,
konventionell befangen.“
„Warum kommst du mit so was nun
nach hundertachtzig Jahren?
Das ist recht spät und grad posthum
ein komisches Gebaren.
Auch ging es mir doch gar nicht so
bei dir um Lob und Segnung,
so war die Audienz en gros
’ne belanglose Begegnung.“
So zog er fort und ward so klug
als wie zuvor, der Arme,
wir schütteten in einem Zug
den Schnaps in unser’n Darme.
Derweil schien uns’re Sommernacht
fast wie ein Wintermärchen,
halbnackt kletterte aus dem Schacht
Amalie ohne Herrchen.
Begierde brauste in Harry auf,
ich konnt’ ihn fast nicht halten,
beinahe lag er auf ihr drauf
und nahm sie mit Gewalten.
Doch ließ er ab und starrte nur
gebannt auf ihre Brüste,
es mochten auch die Augen sein,
wenn ich’s nicht besser wüsste.
Er dachte sich, er mache halt
genug gute Avancen,
ergeben täten sich dann bald
die allerbesten Chancen.
So hielt er es für opportun
und lupfte ihren Mieder,
doch was sah’n seine Augen nun?
Sein eig’nes Buch der Lieder!
Jetzt blitzte es am Firmament,
Amalie war in Rage,
und Harry wurde renitent,
wollt’ Liebe gegen Gage.
So nahm das Schicksal seinen Gang,
und sie sprach unumwunden:
„zieh’ dir das Geld die Kimme lang“,
und ward abrupt verschwunden.
Entsetzen stand ihm ins Gesicht,
und auch ein blödes Grinsen,
besonders clever war das nicht,
ging amtlich in die Binsen.
Wir kamen schließlich überein
das Ganze zu vergessen,
es gibt, da kann man sicher sein,
noch andere Mätressen.
Der Korken flog, der letzte Sekt,
wir tranken auf das Leben,
auf Liebe, Anstand und Respekt,
und andere Kollegen.
Da zeigten sich am Horizont
die ersten Sonnenstrahlen,
und sorgten in der Schläfenfront
für infernale Qualen.
Hier schlossen wir, ’s war höchste Zeit
für die Matratzengruft,
schon waberte die Wirklichkeit
verdächtig in der Luft.
„Hey, Harry, hat echt Spaß gemacht,
lang nicht mehr so gesoffen,
bis bald, vielleicht schon nächste Nacht?
Was bleibt mir sonst zu hoffen.“
....................................................................................................................................................................... |
nach oben |
|
|
|
|
|
|
ich_du
jetzt
fühle ich
im kleinen
dich groß
dort
bist du
nah
ganz weit
kann nicht sehen
nur dich
so stark
zerbrechlich
schon vergessen?
drück dich aus
wir sind
eben hier
gemeinsam
einsam
bist du
bin ich
geh nicht
bleib
beweg dich
frei
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
Der große Plan
der große Plan, der Schritt in die Freiheit, wir lassen alles liegen
wir ziehen dahin, mit Tränen, die wir kaum verstehen
ein seltsames Gefühl im Bauch
ist alles wahr?
erkenne was wichtig, dich, dein, du
Zeit?
keine Ahnung, die große Weisheit
ist das alles?
der Blick nach vorn, getrübt
zurück?
Ohnmacht, siehst du nicht?
alles Vernunft
Herz, natürlich
ohne Opfer, Liebe
es muss so sein, der Ewigkeit halber
lieber morgen als heute
suchen, und weiter
mündliche Verträge sind gültig
spielen wir?
sind wir sicher?
ach komm schon, keine Angst
bleib noch
mir vom Leib
wie schön du bist
Schmerz auf Abruf
sehe nur Zweifel
vor allem
uns?
es klopft
der Tod?
mache ihm nicht auf
ist nicht mein Typ
wer dann?
du?
der große Plan?
ich?
gib nicht auf
noch soviel Zeit
rinnt davon
und alles wahr?
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
Ode an den Ball
Groß ist, mächtiger Ball, deiner Ausstrahlung Kraft,
auf der Wiese liegst du, harrend dem heil’gen Fuß,
der den goldenen Schuss setzt
und dich hart in den Winkel schießt.
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|
|
Kein Drehbuch
Aufblende: Vollmond in Totale am Horizont.
Es ist früher Morgen, die Sonne geht auf. Davor zieht eine Fliege
ihre Kreise, sie grinst hässlich in die Kamera (Vollzoom).
Aus der Ferne ertönt ein Pferd. Lautes Wiehern und
Hufengeräusch, wie ein richtiges Pferd. Hektisch schwenkt die
Kamera um, dreht sich einmal im Kreis, doch ein Pferd ist nirgends zu
sehen.
Gespenstische Musik säuselt im Hintergrund. Kamera fängt
wieder die Fliege ein. Sie lässt sich auf dem knorrigen Ast einer
einsamen Korkeiche nieder, an dem ein abgerissener Strick im Wind
baumelt. Ein umgekippter Holzschemel liegt im Staub. Hintergrund:
Endlose Weiten, Sand und Schotter, ein Kaktus, am Horizont
Gebirgszüge, ein Geier kreuzt das Bild.
Sprecher (flüsternd): Schauen sie sich diese Fliege an, wie sie da
auf dem Ast sitzt und vor dieser großartigen Kulisse verschnauft.
(Kamera hält 30 Sekunden auf die Fliege).
Sprecher (kaum hörbar): Und jetzt vergessen sie sie wieder ganz
schnell. (Kamera dreht sich ganz langsam um 180 Grad und fängt
eine Stadt ein).
Sprecher (piano forte): Goddamn City, New Mexico, das El Dorado der
Gesäßlosen. Denkt man, doch die Realität verschweigt
nicht, dass es hier auch Arschlöcher gibt. (Ausblende)
Aufblende: Sheriff John Wacker (sprich:
Djonnweika) steht vor einem matten Spiegel und rasiert sich mit einem
Schlachtermesser. Er ist knallhart und rechtschaffen. (Kamera zeigt
sein Gesicht im Spiegel). Seine Gesichtszüge sind milde, doch sein
Blick verrät, dass er gerne kurzen Prozess macht.
Sein Haupt ziert ein großer brauner Filzhut. Auf seiner
Lederkutte ist hinten ein großer blauer Stern draufgenäht,
daran erkennt man, dass er Sheriff ist. Schweiß rinnt ihm
über die braungebrannten Wangen.
Sheriff (zischt in den Spiegel ohne eine Miene zu verziehen): Wie lange
werden Sie mit ihrem Filmteam hier bleiben?
Kameramann: Wie bitte?
Sheriff (laut): Wie lange ihr eure verranzten Ärsche in meiner
Stadt parkt! Hört ihr denn nie zu, ihr verkackten Typen? Sheriff
dreht sich harsch um, wobei er mit der Hand, die das Schlachtermesser
festhält, etwas vom Rasiertisch umstößt. Kameramann
erschreckt sich (Huch!) und macht einen Schritt rückwärts. So
kommt aus Versehen der Kabelträger kurz mit aufs Bild (schwarze
Jeans, schwarzes T-Shirt, schwarze Haare, hager, blass).
Sheriff (schroff): Heb das auf, was da gerade auf den Boden gefallen
ist, du Hund. Kabelträger tut wie ihm geheißen. Er
bückt sich schüchtern und hebt einen Metallständer auf,
an dem ein Wimpel befestigt ist.
Kameramann (interessiert): Was ist denn das?
Sheriff (desinteressiert): Das ist das Stadtwappen von Krefeld. Krefeld
ist seit zwei Jahren Partnerstadt von Goddamn City.
Kameramann (anerkennend): Klasse! (Sheriff sieht ihn verächtlich an)
Frauenstimme (grell, aus dem Nachbarzimmer): Kommen sie noch mal zurück ins Bett, Sheriff?
Sheriff (deutlich): Ja, aber erst heute Abend. Der Sheriff unterbricht
seine Rasur und rammt das Messer in den Rasiertisch. Die linke
Hälfte seines Schnurrbarts lässt er stehen.
Frau (raunend; synchron Ausblende): Was für ein Mann.
Aufblende: Der Sheriff öffnet das Fenster seines Büros,
lässt seinen Blick über die staubige Hauptstraße
schweifen und knallt es wuchtig wieder zu (Kamera zeigt den Sheriff
komplett von hinten, wie er da steht).
Sheriff (dreht sich um, verharrt, senkt seinen Blick kurz zu Boden,
massiert zunächst sein Kinn mit der rechten Hand, dann kurz seinen
Nacken, um schließlich an die Zimmerdecke zu glotzen und
auszuschreien): Ich habe zu tun, das Schlechte fordert mich heraus.
Wortlos geht er über den knatschenden Dielenboden zum Ausgang
(Kamera folgt ihm dicht, Zoom auf die Stiefel, an der rechten Spore
hängen Pferdehaare), die Absätze seiner Stiefel erzeugen
einen ohrenbetäubenden Lärm. Der Sheriff tritt hinaus auf die
Straße (Kamera von Straße, Sheriff in Vollbild,
Froschperspektive).
Sheriff (gelangweilt): Die Nacht war kalt. Im Vorbeigehen befreit er seinen Gaul von einer leichten Schneedecke.
Sheriff (raunend, zum Gaul): Ich werde jetzt noch nicht auf dir reiten.
Er zündet sich eine Zigarette an und biegt langsamen Schrittes in
eine Seitenstraße ein (Kamera hält Position und schwenkt mit
Sheriff mit).
Sheriff: Erstmal shoppen gehen. Der Sheriff steuert auf ein Haus zu. An
seiner Fassade hängt ein großes Schild, auf dem
„Mercado“ steht. Der Sheriff macht eine kurze Finte und
betritt den Salon.
Verkäufer (aufgeregt): Sheriff! (Dem Verkäufer entgleitet ein lauter Furz). Einmal wie immer?
Sheriff: Ja.
Der Verkäufer reicht ihm eine Papiertüte, der Sheriff
reißt sie ihm aus der Hand und knallt ihm zwei Kupfermünzen
auf den Tresen. Dabei beugt er sich ganz nah zur Hüfte des
Verkäufers und schnuppert.
Sheriff: Respekt! Würdest du so schießen wie du furzt, dann
... (Unter schallendem Gelächter tritt der Sheriff hinaus auf die
staubige Straße)
Er überquert den Marktplatz, auf dem er gestern einen neuen Galgen
installieren ließ. Eigentlich mag er keine Galgen. Er denkt, dass
die heutige Jugend dort abhängen würde. Und wenn Todesstrafe,
dann Mann gegen Mann. Das ist sein Credo. Aus Protest stellt er ein
großes Schild auf (Kamera zeigt auf Schild: Abhängen
verboten). Viele Bewohner dieser Stadt machen sich darüber lustig,
vor allem am Wochenende.
Der Sheriff ist auf dem Weg zum Bahnhof.
Er hat sich eine neue Pistole bestellt (Kamera zeigt Wackers Halfter,
in dem ein Colt steckt, dessen Lauf abgebrochen ist). Mit dem ersten
Zug aus El Paso soll die Pistole eintreffen. Er will sie direkt am
Bahnsteig abholen. Er freut sich seit Tagen auf diesen Moment.
Kurz vorm Bahnhof kommt ihm der
Schlenderer entgegen. Er ist stadtbekannt. Er schläft nie. Nachts
sitzt er im Saloon und lässt sich volllaufen, tagsüber
schlendert er durch die Gegend. Er nimmt immer den gleichen Weg, daher
ist er berechenbar und harmlos. Trotzdem will ihm der Sheriff aus dem
Weg gehen. Er mag den Schlenderer nämlich nicht. Er ist neidisch,
weil der so viel Freizeit hat und er nicht. Im Zickzack versucht er ihm
auszuweichen, doch das klappt nicht. In der Mitte der Straße
treffen sich ihre Blicke. Es ergibt sich eine zwiespältige
Diskussion.
Sheriff: Ich will nicht wissen, was sie gerade denken.
Ohne eine Miene zu verziehen, gehen sie weiter. Dem Sheriff ist
entgangen, dass der Schlenderer heute nur seine Badeschlappen anhatte.
Er hätte ihm also mühelos mit seinen schweren Stiefeln auf
die Füße treten können, um ihn zu verletzen. Im
Nachhinein ärgert den Sheriff das aber nicht, er hat es ja nicht
bemerkt (Kamera fängt den entspannten Gesichtsausdruck des
Sheriffs ein).
Die Sonne brennt. Das Gesicht des
Sheriffs glänzt nun. Schweißtropfen perlen von seiner Stirn.
Goddamn City ist die wärmste Stadt der Welt. Wenn die Sonne im
Zenit steht, wird es dort unerträglich heiß. Der Sheriff
spaltet eine Kaktee und labt sich an ihrem Saft. Ah, sagt der
Sheriff dann.
Er erreicht den Bahnhof und sieht von weitem Rauchwolken aufsteigen.
Die Dampflok kämpft sich die letzten Meter heran und bleibt direkt
vor dem Sheriff stehen. Der Lokführer steigt aus, geht vor dem
Sheriff auf die Knie und überreicht ihm mit gesenktem Kopf die
neue Pistole. Sie ist fast so breit wie lang, damit man nicht
danebenschießen kann. Eine Spezialanfertigung für den
Sheriff. Der Sheriff schlägt ein Tauschgeschäft vor.
Sheriff: Die Pistole gegen diesen Sack Mehl, hier!
Der Lokführer willigt ein. Da sieht der Sheriff im Augenwinkel
zwei Gestalten, die sich aus dem letzten Waggon schleichen. Sie sind
ungleich groß. Man könnte sogar sagen, der eine ist
groß und der andere ist klein. Sie scheinen Geistliche zu sein,
denn sie tragen dunkle Kleidung. Oder ist das Tarnung? Der Sheriff
atmet tief ein, dann atmet er wieder aus. Er stellt sich ihnen in den
Weg.
Sheriff: Kennwort?
Gestalten: The future is now.
Sheriff: Richtig. Wer sind sie und was machen sie hier?
Gestalten: Man nennt mich Billy the Shit, und das ist mein Kumpel
T-Bone Miller. Wir wollen uns hier mal so umsehen.
Sheriff: Soso, Billy the Shit und T-Bone Miller. Sind sie vorbestraft?
Gestalten: Aber Nein.
Sheriff: Gut, ich glaube ihnen. Bis dann.
Der Sheriff wirft den Gestalten einen unterschwelligen Blick zu und macht auf dem Absatz kehrt.
Toll, wie sie das gerade gemacht haben. Auf Wiedersehen, Sheriff, ruft
ihm der Lokführer zu, doch der Sheriff hört es nicht mehr. Er
ist längst zurück an seinem Schreibtisch.
Sprecher: Billy the Shit und T-Bone
Miller sind auf seine Gutgläubigkeit hereingefallen.
Natürlich weiß der Sheriff, wer Billy the Shit und T-Bone
Miller sind. Sie sind Banditen. Ganoven aus einer anderen Stadt.
Der Sheriff lehnt sich in seinem
Ledersessel zurück, verschränkt die Arme hinter seinem Nacken
und beginnt nachzudenken. Er legt seine Beine auf den massiven
Schreibtisch. An seiner Schuhsohle klebt Hundescheiße. Er greift
in eine Schublade und zieht eine kleine Flasche Doppelkorn hervor.
Sheriff: Mist, ist alle.
Er stützt sich mit dem rechten Ellbogen auf die Armlehne seines
Stuhls und hebt die linke Pobacke an. Es gibt einen lauten Knall. Der
Sheriff hat gefurzt. Ein Ritual. Seine Sekretärin gehorcht. Sofort
kommt sie durch die Tür gerannt.
Sekretärin: Was gibt’s, Sheriff?
Sheriff: Nenn mich nicht Sheriff, du Schlampe. Für dich heiße ich heute Klaus.
Sekretärin: Klaus steht ihnen sehr gut.
Sheriff: Mir steht grade noch was ganz anderes sehr gut.
Der Sheriff verzieht sein Gesicht und guckt der Sekretärin durch
kleine Sehschlitze frivol und bedrohlich in die Augen. Mit dem
Zeigefinger lenkt er den Blick der Sekretärin auf seine Hose.
Sekretärin: Aber steht der bei ihnen nicht immer?
Sheriff: Nun ja.
Sprecher: Die Sekretärin ist
verdorben, das weiß der Sheriff. Sie hat es ihm schon oft durch
die Blumen gesagt. Um ihren faltigen Hals trägt sie eine verklebte
Boa-Feder. Der Sheriff könnte regelmäßig kotzen, wenn
er sie sieht. Oft gibt er ihr schallende Ohrfeigen aus Langeweile. Es
gefällt ihr jedes mal.
Heute gibt der Sheriff ihr nur einen Einkaufszettel. Sie verschwindet damit wortlos. Die Turmuhr schlägt neun Mal.
Der Sheriff geht in seinem Büro auf und ab. In den Händen hält er seine neue Pistole. Er tätschelt sie.
Sheriff: Ha, Billy the Shit und T-Bone Miller. Bald seid ihr dran. Mit
mir habt ihr nicht gerechnet. Ich gebe euch noch ein bisschen Zeit,
damit ihr euch hier einleben könnt, aber dann knall ich euch ab,
sagen wir in zwei Wochen.
Im Stehen ruft er seinen alten Kollegen Jack an.
Sheriff: Hey Jack, alles klar bei dir? Wo bist du jetzt eigentlich Sheriff geworden?
Jack: In Polen. Und du?
Sheriff: Du wirst es nicht glauben, in Goddamn City!
Jack: Krass, Alter! Und du lebst noch?
Sheriff: Besser denn je. Du weißt doch, mich haut nichts um.
Jack: Stimmt, du warst schon immer knallhart.
Der Sheriff nickt bedächtig. Eine kurze Schweigesequenz folgt.
Kamera frontal auf den eisernen Blick des Sheriffs gerichtet.
Sheriff: Sag mal, hat sich der Reiter auf dem unsichtbaren Pferd mal bei dir gemeldet?
Jack: Ja, gestern. Ich habe ihn verhaftet. Komische Geschichte. Der
sagte, er habe sich das mit dem Pferd nur so ausgedacht, um vor allem
älteren Menschen Angst zu machen.
Sheriff: Hab ich immer schon geahnt.
Jack: Ja, und deswegen hat er sich auch gestellt. Er meinte, du
würdest ihn eh früher oder später dingfest machen.
Sheriff: Dingfest? Ich hätte ihn von oben bis unten mit Blei gefüllt.
Jack: John, du bist echt der entschlossenste Sheriff, den…
Sheriff: Laber nicht. Ich muss jetzt was essen. Bis dann.
Der Sheriff hängt den Hörer
auf die Gabel, bindet sich eine Krawatte um und verlässt das Haus
durch den Hinterausgang. Ein Trick, damit ihn T-Bone Miller und Billy
the Shit nicht erschießen können, die am Eingang schon auf
ihn warten. (Man sieht T-Bone Miller hektisch auf der Veranda auf und
ab gehen, während Billy the Shit an der Hauswand lehnt und popelt).
Der Sheriff betritt den Saloon. Er wird von den Gästen freundlich begrüßt.
Sprecher: Seit der Sheriff in Goddamn
City wohnt, fühlen sie sich sicher, und das zeigen sie ihm auch.
Der Sheriff darf in jedem Haushalt aus und ein gehen und sich nach
Belieben nehmen, was er will. Letzte Nacht nahm er sich die Frau vom
Kutschenverleiher. Das war die, die ihn gefragt hat, ob er noch mal
zurück ins Bett kommt. Aber da hat er ja Nein gesagt, daher ist
der Kutschenverleiher auch nicht sauer.
An der Decke des Saloons hängt ein
riesiger Ventilator. Er dreht sich behäbig. In der Ecke sitzt ein
Mann, der einsam ist. Er spielt Banjo vor sich hin. Es ist eine
traurige Melodie. Sie erzählt uns von besseren Tagen. Der Sheriff
gibt dem einsamen Mann einen Dollar, damit er was Fetziges spielt.
Der Sheriff und der Kellner klatschen
sich schwungvoll ab. Danach nimmt der Sheriff an seinem angestammten
Tisch Platz. Direkt vorm Fenster, damit er schön rausgucken kann
in die Natur. Hinter dem Fenster ist riesiges Weideland. (Die Kamera
zeigt viele Kühe, denen es auf dem Acker sehr gut geht).
Sprecher: Nach dem Essen wird der
Sheriff seine übliche Runde durch die Stadt machen. Dabei wird er
auch überprüfen, ob es den Kühen wirklich so gut geht,
oder doch nicht?
Der Sheriff bestellt einen herzhaften Salat mit Putenbruststreifen.
Kellner: Heute kein Steak mit dicken Bohnen?
Sheriff: Dann hätte ich es ja wohl bestellt, was?
Der Sheriff lacht schallend. Alle Gäste lachen mit. Am Nebentisch tuscheln die Damen.
Dame 1: Der Sheriff hat einen tollen Humor.
Dame 2: Ja, ich glaube, unter seiner harten Schale schlummert ein weicher Kern.
Der Sheriff lauscht. Das lenkt ihn ab. So kriegt er nicht mit, dass
T-Bone Miller und Billy the Shit vor dem Fenster Grimassen schneiden.
Peng! Da ertönt ein Schuss. T-Bone
Miller hat seine Schrotflinte aus Versehen entsichert und ein kleines
Loch in die Straße geschossen. Das ist Billy the Shit sehr
peinlich. Er schämt sich für T-Bone Miller und wird leicht
nervös, weil jetzt auch der Sheriff auf die Straße
stürzt. Es kommt zur zweiten Begegnung zwischen den dreien. Sie
wird gut ausgehen, weil der Film hier noch längst nicht zu Ende
ist. Der Sheriff tut weiterhin so, als habe er nicht die geringste
Ahnung, wer die beiden wirklich sind.
Sheriff: Muss das denn sein? Ihr seid gerade erst zugezogen, und schon macht ihr Ärger!
Billy the Shit: Sorry! und zu T-Bone Miller: Hey T-Bone, sieh zu, dass
du das Loch wegmachst und dich beim Sheriff entschuldigst!
T-Bone Miller (stotternd): Tut mir echt leid, Sheriff.
Sheriff (beschwichtigend): Schon gut, kann ja mal passieren. Aber warum
tragt ihr ein Schießeisen mit euch herum?
Billy the Shit und T-Bone Miller (unisono, scheinheilig): Ach, wir
wollten nur so … dachten uns halt …
Sheriff (unterbricht schroff): Könnt ihr nicht vernünftig reden?
Billy the Shit: Naja, es gibt ja hier auch böse Menschen, die
einem was antun wollen, und da dachten wir uns halt, wenn mal was
passiert, können wir uns verteidigen.
Sheriff: Soso, böse Menschen.
Zum ersten Mal gibt der Sheriff um einen Deut preis, dass er den beiden
womöglich nicht glaubt. Er legt seinen Kopf nämlich leicht in
den Nacken, um dann einen prüfenden Blick aufzulegen. T-Bone
Miller und Billy the Shit merken nicht, dass der Sheriff sie verarscht.
Sheriff: Ich sehe weit und breit keinen einzigen bösen Menschen. Ihr vielleicht?
T-Bone Miller und Billy the Shit schütteln heftig mit dem Kopf,
bedanken sich beim Sheriff und verabschieden sich fürs erste. Sie
ziehen Richtung Westen davon, wo ihr Hotel steht. Es ist das Hotel
„Zum räudigen Bastard“. Ein Zeichen?
Der Sheriff schaut ihnen kurz nach. Dazu
bewegt er leicht die Lippen, man kann aber nicht hören, was er
sagt. Dann dreht er sich um und geht wieder zurück zu seinem
Tisch. Der Salat erwartet ihn schon. Er sieht knackig aus. Dem Sheriff
läuft das Wasser im Munde zusammen. Ein bisschen Wasser läuft
sogar raus. Er nimmt sich eine Gabel und sticht zu. In zwei Minuten hat
er den kompletten Salat in sich reingeschaufelt. Nur ein kleines
Stück Putenbrust hebt er auf. Damit stopft er das Loch in der
Straße. Bisschen Staub drüber gewedelt, und damit hat es
sich.
Der Sheriff ist sehr glücklich. Er
hat lecker gegessen, T-Bone Miller und Billy the Shit verhohnepiepelt
und das Loch in der Straße repariert. Deswegen geht er an den
Tresen, um das Essen mit einem Schnaps runterzuspülen.
Unauffällig platziert er eine Wanze unterm Tresen, für den
Fall, dass T-Bone Miller und Billy the Shit sich da mal hinsetzen, um
Pläne zu schmieden. Dann wüsste der Sheriff sofort Bescheid
und könnte sich darauf einstellen. Der Barkeeper reicht ihm eine
Flasche Whiskey. Der Sheriff nimmt die Flasche in die Hand, schwenkt
sie behutsam und beobachtet den Strudel, den er in der Flasche erzeugt
hat. Anschließend stellt er die Flasche auf den Tresen und nickt
dem Barkeeper zu.
Sheriff: Das ist ein guter Tropfen. Ich nehme einen Schluck.
Barkeeper: Ich werde ihnen einschenken, Sheriff.
Sheriff: Nein, das werden sie nicht.
Der Sheriff reißt gierig den Korken aus dem Flaschenhals und legt
an. Drei große Schlücke nimmt er. Man hört lautes Gluck
Gluck Gluck.
Sheriff: So, dann werde ich jetzt mal frisch gestärkt meinen
Rundgang antreten. Bis später, Jim. (Jim ist der Barkeeper)
Zeitgleich im Hotel „Zum
räudigen Bastard“: Aus Zimmer 3 hört man lautes
Grölen. T-Bone Miller und Billy the Shit haben sich zwei Huren aus
der Nachbarschaft kommen lassen, die erst mit ihnen Karten spielen und
sich danach durchficken lassen sollen. Es sind die verruchtesten
Schlampen von Goddamn City, zufälligerweise die Töchter von
der Sekretärin. Sie verdient sich damit ein Zubrot. Billy the Shit
hat einen Sonderpreis ausgehandelt. Im Doppelpack kommt billiger.
Insgesamt nur zehn Dollar, wenn er sie bis abends acht Uhr wieder
abgibt. Jetzt ist es erst zwölf Uhr Mittag. Da ist noch viel Zeit.
Auf dem Eichentisch stehen sechs Flaschen Fusel, alle halbleer. Es
wurde schon kräftig gesoffen. Die ältere Tochter trinkt
zwischendurch immer Ingwertee, um in Schwung zu kommen. Die
jüngere nicht. Dafür lässt sie sich gerade von T-Bone
Miller flachlegen. Zwei Minuten, während Billy the Shit die Karten
mischt. Sie täuscht einen Orgasmus vor. T-Bone Miller ist das
egal. Er springt von ihr ab und nimmt die Karten auf.
T-Bone Miller: Vorbehalt!
Billy the Shit: Ach ja?
T-Bone Miller: Nee, vorn Latz geknallt.
Die Nutten kichern.
Billy the Shit: Schnauze, Nutten!
Sie kichern weiter. Billy the Shit klebt ihnen eine mitten ins Gesicht.
Danach ist Ruhe. Aber T-Bone Miller und Billy the Shit ist die Lust am
Spielen vergangen. Ficken wollen sie jetzt auch nicht mehr. Die
Mädels gehen ihnen nur noch tierisch auf die Nerven. Sie werfen
sie raus. Danach lehnen sich T-Bone Miller und Billy the Shit mit einer
Flasche Gin aus dem Fenster und beobachten stumm das Treiben auf der
Straße. Für eine Westernstadt ist es heute erstaunlich
ruhig. Da kommt der Schlenderer um die Ecke. Er hat einen Kojoten an
der Leine. Er schaut auf und sieht T-Bone Miller und Billy the Shit am
Fenster. Er tippt mit dem Finger an seine Hutkrempe, um freundlich zu
grüßen. Billy the Shit und T-Bone Miller winken ihm zu. Da
reißt sich der Kojote los und läuft davon. Freiheit!
Der Sheriff ist nun schon eine ganze
Stunde am durch die Stadt laufen. Er schwitzt. Als er zur Goldmine
einbiegt, kommt ihm der Kojote entgegengewetzt. Der Kojote rennt an ihm
vorbei. Da fällt ihm ein, dass das ja gerade der Sheriff war, der
da stand. Er dreht seinen Kopf, um sich noch mal zu vergewissern, und
dabei sieht er nicht nach vorne. Er rennt mit voll Karacho gegen eine
Mauer. Er überlebt nicht. Wäre er besser beim Schlenderer
geblieben. Der Sheriff trägt den Kojoten zu Grabe.
Sheriff: Nein, ich sollte diesen Kojoten lieber in den Saloon bringen.
Dort kann er gebraten werden. Dann werde ich ihn zum Abendbrot
verspeisen.
Der Sheriff rollt den Kojoten in ein Ledertuch ein und bringt ihn zum Koch.
Sprecher: Das ist Sven, der Koch. Er ist aus Norwegen eingewandert vor
vielen Jahren. Man sagt, er trage ein Geheimnis mit sich herum. Manche
behaupten das Gegenteil. Die üblichen Gerüchte halt.
Sheriff: Hi Sven, mach mir für heute Abend sieben Uhr den Kojoten hier warm.
Sven: Dazu werde ich Petersilienkartoffeln reichen.
Sheriff: Oh, fein!
Dann geht der Sheriff wieder flugs
zurück zur Goldmine. Gerade will er sie betreten, doch was sieht
er da, sie ist heute wegen Krankheit geschlossen.
Er geht weiter, bis er zu den Baumwollfeldern gelangt. Hinter einer
Platane bleibt er stehen und beobachtet aus seinem Versteck die Kinder,
die sich abschuften.
Da! Das gibt’s doch nicht! Ein Junge, circa 5 Jahre alt, will weglaufen. So geht das aber nicht!
Der Sheriff baut sich vor ihm auf.
Sheriff: Stehen geblieben, Freundchen! Darf man erfahren, wo du hin willst?
Junge: Ich soll eine neue Peitsche kaufen gehen für den Aufpasser!
Sheriff: Stimmt das auch, Bürschchen?
Da zeigt ihm der Junge einen Dollar. Der Sheriff weiß, dass es
beim Peitschenjoe für einen Dollar Peitschen gibt. Außerdem
ist es völlig unmöglich, dass der Junge soviel Geld hat, er
verdient ja nichts auf dem Feld.
Sheriff: Nun gut, dann sieh mal zu, dass du hier nicht deine kostbare Zeit vertrödelst und lauf los!
Junge: Danke, Sheriff.
Der Sheriff empfiehlt sich beim Aufpasser und steuert den Schmied an.
Der macht gerade neue Hufeisen für die Pferde. Wie ein
Wahnsinniger schlägt er auf den Amboss ein. Alles glüht. Dann
macht es Zisch! Der Schmied hat ein nagelneues Hufeisen in den
Wassereimer gehalten. Stolz präsentiert er dem Sheriff das
Exemplar.
Sheriff: Was für ein Geschoss, Schmied!
Schmied: Ich schenke es ihnen. Nehmen sie! Es ist aus purem Gold gemacht!
Der Sheriff packt das Hufeisen ein und verkauft es beim Händler in
der Querstraße für gutes Geld.
Zur selben Zeit liegen T-Bone Miller und
Billy the Shit versoffen auf dem Sofa im Hotelzimmer. Neben ihnen liegt
ein vollgekritzelter Papierfetzen (Zoom Kamera). Die Überschrift
gibt Anlass zur Sorge: Plan, wie wir den Sheriff um die Ecke bringen
und dann ganz Goddamn City beherrschen. Darunter befindet sich eine
eindeutige Skizze der Stadt, auf der man erkennen kann, dass T-Bone
Miller und Billy the Shit viel mit Goddamn City vorhaben. Doch es sind
keine guten Vorhaben. Auf dem historischen Marktplatz zum Beispiel soll
eine Schlittschuhhalle errichtet werden.
Die Welt hält für einen Augenblick den Atem an. (5 Sekunden Standbild).
Weiter geht’s:
Der Nachmittag bricht an, die Sonne neigt sich zunehmend Richtung Erde.
Da taucht aus dem Nichts ein Mann vor dem Sheriff auf. Es kommt zum
Duell. Doch plötzlich muss der Sheriff lachen.
Sheriff: Fremder, bist du nicht Pat the Fat?
Pat the Fat: Genau, der bin ich.
Sheriff: Wir haben zusammen die Polizeiausbildung gemacht, weißt du nicht mehr? Ich bin John Wacker!
Pat the Fat: Doch, natürlich! John Wacker, alte Keule! Du hier? Und gleich Sheriff?
Sheriff: Klar, Mann! Und du so?
Pat the Fat: Hab die Seiten gewechselt, bin Verbrecher geworden und grade auf der Durchreise.
Sheriff: Verbrecher? Hammer! Dann will ich dich nicht länger aufhalten. Hau rein!
Pat the Fat steigt auf seinen Maulesel und reitet davon. Der Sheriff
nickt ihm anerkennend hinterher, bevor er sich entschließt, sich
am Brunnen eine handvoll Wasser ins Gesicht zu spritzen.
Er schaut auf die Turmuhr. Viertel vor sieben schon. Er bekommt Hunger.
Da fällt ihm wieder der Kojote ein, der schon in der Pfanne
brutzelt. Er geht schnurstracks in den Saloon und schnippt den Kellner
herbei.
Kellner: Hallo Sheriff, darf es der Kojote sein?
Sheriff: Du sagst es, Mädchen.
Der Saloon ist rappelvoll. Es ist DER
Treffpunkt für die Menschen in Goddamn City. Woanders gehen sie
nicht hin, denn hier ist immer der Bär los. Findet der Sheriff im
Prinzip auch. Da öffnet sich plötzlich die Tür und Billy
the Shit betritt den Saloon. Dicht hinter ihm folgt T-Bone Miller. Ein
Raunen geht durch die Menge, denn sie sehen anders aus. Sie haben sich
Socken übers Gesicht gezogen. Verängstigt und hilfesuchend
schauen die zahlreichen Gäste den Sheriff an. Doch der strahlt
Ruhe aus, also sind die Gäste auch wieder ganz entspannt und
feiern weiter. T-Bone Miller und Billy the Shit setzen sich aufreizend
langsam an den Tresen, wo sie sich unterhalten. Leider kann man kein
einziges Wort verstehen, weil es im Saloon so laut ist. Ein Glück,
dass der Sheriff vorher die Wanze unter den Tresen geklebt hat, so kann
er alles mithören. Es ist allerhand, was er so erfährt.
Billy the Shit : Weißt du T-Bone, eigentlich wäre ich viel lieber Anwalt als Ganove geworden. Und du?
T-Bone Miller: Ach weißt du, ich bin so ganz zufrieden.
Billy the Shit: Ich doch auch, war nur Spaß.
(Schweigen)
T-Bone Miller: Kannst du dich noch erinnern, wie wir damals angefangen
haben, Pflaumen aus dem Garten vom Bürgermeister zu klauen?
Billy the Shit: Als wäre es gestern. Da fing unsere Gaunerkarriere an.
T-Bone Miller: Ja, das waren noch Zeiten. Mann, was war ich aufgeregt,
als uns die Frau vom Bürgermeister deswegen ausgeschimpft hat.
Heute juckt es mich nicht mal mehr, wenn ich einen umlege.
Billy the Shit: Geht mir genauso. Naja, wir sind halt erwachsen geworden, was?
T-Bone Miller: Und wie. Ich muss nur noch ein bisschen an meiner
Schusstechnik feilen, dann bin ich ein gemachter Mann.
Billy the Shit: Stimmt. Aber es klappt ja schon ganz gut.
Außerdem bin ich ja auch noch da, und ich schieße nun mal
besser als du.
T-Bone Miller: Mach mal’n Kopp zu. Du schießt niemals besser wie ich.
Billy the Shit: Ach nee, und wer hat vorhin das Loch in die
Straße geschossen, statt dem Sheriff die Kugel in die Stirn zu
ballern? Das war ja wohl nicht ich!
T-Bone Miller: Nee, aber du hast dich ja noch nicht mal getraut,
überhaupt zu schießen. Findest du das etwa besser?
Billy the Shit: Hör mal, du brauchst jetzt hier mal gar nicht auf
Klugscheißer zu machen. Außerdem war meine Knarre gar nicht
geladen.
T-Bone Miller: Ist ja noch toller. Willst den Sheriff erschießen,
und dann rückste mit leerem Colt an. Profi, oder was?
Billy the Shit: Jetzt entspann dich mal, T-Bone, das war doch Taktik!
Oder denkst du, ich knall den Sheriff am helllichten Tag ab? Pah!
T-Bone Miller: Okay, okay. Lass uns das später ausdiskutieren.
Jetzt sieh dir mal den Sheriff an, wie der den Kojoten auffrisst.
Ekelhaft.
Der Sheriff, der alles mithört,
guckt jetzt extra verträumt an die Wand. Wenn er den Kojoten
aufgegessen hat, will er zuschlagen und die beiden erledigen. Die
Petersilienkartoffeln sind übrigens nicht richtig gar. Er hat sie
zornig auf den Fußboden geschüttet. Aber der Kojote ist
lecker.
Billy the Shit: Wir lassen ihn eben noch zu Ende kauen, dann schicken wir ihn ins Jenseits.
T-Bone Miller: Guter Plan.
Billy the Shit: Ist ja auch unser Plan. Wir sind halt die abgezocktesten Banditen unter der Sonne.
Siegessicher prosten sie sich mit ihren Zinnbechern zu. Zur Feier des
Tages haben sie sich Wein bestellt. Den besten, den Goddamn City zu
bieten hat. Flasche vier Dollar, den kann sich sonst eigentlich nur der
Sheriff selbst leisten.
T-Bone Miller: Meine Hand wird zappelig, sie will an den Abzug.
Billy the Shit: Meine auch. Da, es kann losgehen, der Sheriff würgt seinen letzten Bissen runter.
Der Sheriff putzt sich gerade den Mund mit einer Stoffserviette ab.
Unter der Serviette hält er seine Wumme. Keiner kann das erkennen.
T-Bone Miller: Also, ich steh auf und frag ihn nach der Uhrzeit, dann
kommst du, rempelst mich an und provozierst einen Streit, in dessen
Folge ein Schuss fällt, der zufällig den Sheriff trifft. Dann
wird uns niemand einer Tat bezichtigen können.
Billy the Shit: Genial, T-Bone. Aber über was streiten wir uns
denn dann? Es sollte schließlich so unauffällig wie
möglich sein.
T-Bone Miller: Lass uns über das Wetter streiten, da kann jeder mitreden.
Billy the Shit: Super Idee, so machen wir’s.
T-Bone Miller erhebt sich ganz
lässig vom Barhocker. Er flötet den Klang einer Harfe, die
Unverfänglichkeit suggerieren soll. Er tritt an den Tisch des
Sheriffs heran.
T-Bone Miller (leicht angetrunken): Wie spät?
Sheriff (bestimmt): Für dich fünf nach zwölf.
T-Bone Miller: Hä?
Billy the Shit kommt hinzu: Morgen soll es regnen.
T-Bone Miller: Was? Das darf doch wohl nicht wahr sein. Immer dasselbe
mit dem Scheißwetter! Und du Penner bist dafür
verantwortlich, weil du es mir gesagt hast!
Billy the Shit: Was? Sag das noch mal!
T-Bone Miller: Und du Penner bist dafür verantwortlich, weil du es mir gesagt hast!
Jawohl, jawohl! schalten sich die
übrigen Gäste lautstark ein. Becher und Fäuste fliegen
durch die Gegend, dass es nur so kracht. Da wird es dem Sheriff zu
bunt. Er steigt auf einen Stuhl und sagt folgende Worte: Wer ist denn?
Die Leute verharren und schauen sich an. Dann brüllen sie es heraus: Wer ist denn? Wer ist denn? Ja wer ist denn?
Der Sheriff dirigiert sie nach
draußen, so dass er ganz alleine mit T-Bone Miller und Billy the
Shit im Saloon ist. Jetzt fällt es ihnen wie Schuppen von den
Augen. Der Sheriff hat die ganze Zeit gewusst, wer sie sind. Sie werden
von Panik ergriffen und wollen schießen, doch der Sheriff bleibt
ganz cool.
Sheriff: Moment noch.
T-Bone Miller und Billy the Shit (wieder unisono): Ja was denn?
Da hebt der Sheriff seine neue Pistole
und feuert zwei Schüsse ab. T-Bone Miller und Billy the Shit
sinken zu Boden. Der Sheriff beugt sich über sie und stellt den
Tod fest. Am anderen Ende des Tresens sitzt der Schlenderer, er hat ein
Bild von der Situation gemalt. Das hängt jetzt beim Sheriff an der
Wand. Es ist wieder Frieden eingekehrt in Goddamn City.
Ende
....................................................................................................................................................................... |
|
nach oben |
|
|
|
|
|